Samstag, 6. März 2010

Grassierende Wissenschaftsfeindlichkeit - wie schlimm ist es wirklich?

An manchen Tagen könnte man echt den Glauben an die Menschheit verlieren... Bild schreibt einen Artikel zum Klimawandel und 90% der knapp 100 Kommentare brüllen "Alles Lüge! Klimamafia!"

mandy hat gesagt..
Wenn sich das Universum ausdehnt und sich alles immer weiter von einander entfernt, dann sollte man bereits nach dieser Kenntnis wissen, dass eine globale Erwärmung ausgeschlossen ist, wenn sich Erde und Sonne immer weiter voneinander entfernen.

Gut, das ist nicht wirklich neu und die Kommentatoren auf bild.de dürften wahrscheinlich zu den dümmsten Deutschlands gehören. Jeder kennt das - man liest einen Artikel in Blogs, auf Nachrichtenseiten wie Spiegel, Stern, Focus oder in beliebigen Foren und die Kommentarsektion ist geflutet mit himmelsschreiend dämlichen Beiträgen. Verschwörungstheorien, Stammtischpolemik, Xenophobie, Besserwisserei und Hybris ohne Ende. Manchmal mag man seinen Augen kaum trauen, zu was für grotesken Fehlschlüssen manche Menschen in der Lage sind.

jelena schrieb:

Am Äqutor gab es immer mehr Erdbeben, als woanders, weil da die Fliehkräfte am stärksten sind. Uns bedroht keine Erdbeben.

Aber in letzter Zeit nimmt das Ganze eine noch krassere Form an, die mir echt Sorgen macht. Es wird einfach pauschal alles verteufelt, wo Wissenschaft draufsteht, egal worum es eigentlich geht. Hier ein paar Kommentarausschnitte aus einem Artikel über die kippende Erdachse:


Psymon schrieb: vor 5 Stunden

Ich weiss garnicht wie ich diese EINE Sekunde in 1 Million Jahren aufholen soll.
Das bringt ja massive einbußen mit sich.

Um sollchen Schrott machen sich Geowissenschaftler Gedanken, un fassbar.


kameramann schrieb:

Die wissenschaflter haben einen an de Klatsche. Wen interessiert ob die welt sich um Mikrosekunden schneller dreht und ob das von dem Erbebenkommt ist auch nicht nachgewiesen. Aber so einen Stuss verbreiten, da sind unsere Wissenschaftler ganz vorne mit dabei.


Hetzblattleser schrieb:

Euer "Eisläufer" wird langsamer, weil er seine Aerodynamik verschlechtert hat.
Ihr müsst euch ein anderes Beispiel suchen, sry.


Lewis2006 schrieb: vor 5 Stunden

Hallo...Hallo...ohne unsere Wissenschaftler hätten wir keinen Gen Mais.. Respekt bitte.. :-)


Benny11 schrieb: vor 3 Stunden

is mir schlecht... die erde dreht sich zu schnell......
welche forscher beschäftigen sich mit so einen unfug??


den13 schrieb: vor 3 Stunden

 Ich lache mich tot !!! - Um etwa 8 Zentimeter änderte sich die Neigung, bestimmte er mit einem Computermodell. Wie konnte dies mal ausrechnen?! - natürlich mit einem Computer!!! Was macht 8 cm - OOOOO!!!! 1,26 mikrosekunden - die Tagen werden kürzen!!! Wer bezahlt die Kerlen und haben die nichts besseres zu tun?


wonger schrieb: vor 5 Stunden

es bleibt nur zu hoffen,daß demnächst keine ewige Dunkelheit auf der Erde herrscht,wenndurch das Beben die Tage jetzt kürzer werden sollten und ich dachte,zum Frühjahr würden die Tage wieder länger,doch diese Wissenschaftler müssen es ja besser wissen,welch
ein Drama



Und das sind bloß Ausschnitte aus ein paar Seiten, länger wollte ich nicht lesen. Zugegeben, die Sache mit der Erdachsenkippung ist dem Laien schwer zu vermitteln und zudem noch umstritten. Aber die pauschale Wissenschafts-Antipathie hat vom Gefühl her in den letzten Monaten und Jahren stark zugenommen. Schon immer unter Beschuss standen die Mediziner und Evolutionsbiologen, seit 5 Jahren die Klimaforscher und heutzutage irgendwie alle. Wissenschaft, Teufelszeug! Sind doch eh alle nur gekauft! Vielleicht hat Jörg Recht wenn er schreibt, es gehe um "Krieg gegen die Wissenschaften".


An vorderster Front stehen auch solche Blogs wie das altbekannte Alles-Schall-und-Rauch von Freeman. Wer da durch die Kommentare stöbert, wird schnell Tastaturabdrücke auf seiner Stirn ernten. Kritik ist übrigens nicht erlaubt - Freeman lässt nur Kommentare zu, die ihn bedingungslos vergöttern. Selbst sachliche und nett geschriebene Kritik kommt nicht durch seine Zensur - ziemlich absurd, wenn man bedenkt, dass er ständig gegen die angebliche Zensur des Staates und der Medien pöbelt. Der Personenkult, den seine Anhänger um ihn veranstalten, kann einem echt Angst machen.


Paraguayintern hat gesagt...
Sehr interessant. Die logik gewinnt. Dies muss unbedingt auch auf andere lügen ausgeweitet werden. Besonders der sonneneinfluss auf das klima ist bemerkenswert. Auch auf anderen gebieten gibt es einflüsse, die unterdrückt oder noch nicht öffentlich bekannt gemacht wurden. Jetzt heisst es nachbohren. Das lügengebäude durch logik ins wackeln bringen. Dazu ist keine methode zu schade oder zu "schmutzig". Die gegenseite arbeitet ja nur mit diesen methoden. Das lügengebäude fällt in sich zuammen wie die zwei zwillingstürme!

cydonics hat gesagt...
Hallo Freeman!
Seit mehr als zwei Jahren verfolge ich Deinen Blog.
Es bleibt nur eines zu sagen:
DANKE!!!!
und vielleicht noch das:
DANKE!!!!

Systemverweigerer hat gesagt...Hey!
Ach Freeman... man kann Dir einfach nicht oft genug danken.
Ich bewundere nicht viele Menschen, doch Du gehörst für mich zu den Wenigen.

Ghostwriter hat gesagt...
Das ganze muss man genauso politisieren wie es die gegenseite ja so schön beherrscht. Die mafiatechniken müssen unvoreingenommen eingesetzt werden um so den spiess umzudrehen. Es wird ein krieg der hacker und der gesetzespillendreher. Zukunft, du bist da!

Ich habe nie an Freemans Version
gezweifelt und die Klimalüge bei jeder Gelegenheit ins lächerliche
gezogen und bei ungläubigen Blicken die Fakten benannt und ich weiß, dass fast alle hier das gleiche taten.

Wir werden immer mehr an Glaubwürdigkeit gewinnen und davor
haben die Tyrannen die größte Angst.



(Kommentare zum Bogus-Artikel über Phil Jones Temperaturaussage und weitere)

Die Frage ist - inwiefern ist das schlimm bzw. gefährlich für die Gesellschaft? Neulich fand ich den  Spruch "9/11 troofers are stupid, but harmless in the end. they are fighting an enemy that doesn't exist." Gleiches könnte man über Chemtrailer, NWO-Verschwörer und Ähnliche sagen, die Sache ist mehr oder weniger belanglos. Oder? Sollen sie doch jeden Mist glauben, dadurch kommt immerhin keiner direkt zu Schaden. Auf der anderen Seite gerät man auch als Anhänger solcher Theorien schnell in einen Strudel aus Misstrauen und Wahnsinn.

Bei extremen Alternativ-Medizinern sieht die Sache eindeutiger aus - wer Krebs mit Chakren und AIDS mit Globuli heilen will, setzt Menschenleben aufs Spiel. Wer bei Leukämie sein Kind mit Granderwasser oder germanischer neuer Medizin heilt und nicht zum Arzt geht, bringt es möglicherweise um.

Und der Klimawandel? Immerhin sind die meisten Entscheidungsträger der Politik auf Seiten der Wissenschaft. Doch nicht überall - gerade in Amerika ist das ein Problem. Einer der Gründe des Scheiterns der COP15-Konferenz war das fehlende, aber angekündigte Gesetz der Amerikaner, welches von den Republikanern vorher noch blockiert wurde. China hatte vor der Konferenz angekündigt, im Falle eines Gesetztesvorschlages aus Amerika selbst ein vergleichbares Programm zu entwerfen.

Die wachsende Wissenschaftsfeindlichkeit legt schon heute die Basis für spätere Probleme, die bis zum Extremismus reichen könnten. Doch was soll man tun, wie vorgehen? Oder wird die Wahrheit letztendlich doch immer siegen?

9 Kommentare:

  1. Danke für diesen köstlichen Beitrag, es ist wirklich schwer aus einem kombinierten Fremdschäm- und Lachanfall wieder herauszukommen... Dass die Amis wissenschaftsfeindlich sind - okay, damit habe ich mich inzwischen abgefunden; aber dass es auch bei uns so schlimm ist, ist echt traurig. Die schlimmsten Diskussionen sind die, in denen mit irgendwelchen stupiden Halbwahrheiten nur um sich geworfen wird. Aber das ist nur wieder mal typisch BILD-dir-deine-Dummheit. Zum Glück gibt es noch Menschen, die etwas für ein Stück mehr Wahrheit und Wissen tun - wie wir "Um-solchen-Schrott-machen-wir-uns-Gedanken"-Geowissenschaftler!

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  2. Ich denke, Du hast hier einen handfesten Bias. Die größten Deppen schreien auch am lautesten. Man muss halt "nur" dafür sorgen, dass die Deppen nicht die Herrschaft übernehmen.

    Ich denke auch "früher" war dem Großteil der Menschen egal, einigen suspekt und einige fanden wirklich interessant, was Wissenschaftler so treiben. Man bedenke, wie argwöhnisch vor 100 Jahren "Strom" beäugt wurde.

    Du tust ja immerhin was. Schreiben, was das alles soll. Und oft genug kommt auch positives Feedback. Schwierig wird es natürlich, wenn Entscheidungsträger sich gegen Wissenschaft positionieren und da hilft nur Aufklärung, Aufklärung, Aufklärung.

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  3. Ich denke das wichtigste ist, nicht die Deppen überzeugen zu wollen, die den Unsinn selbst verbreiten, sondern den Menschen, die auf das hereinfallen und meist aus Unwissen glauben zu zeigen, was wirklich los ist. Schließlich sind die meisten Erklärungen der Deppen viel einfacher zu akzeptieren als einige Erklärungen von uns Wissenschaftlern. Z.B. Welchem Otto-Normal-Bürger sind schon die vielen positiven und negativen Feedbackmechanism des Weltklimas ausreichend bekannt?

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  4. "Aber in letzter Zeit nimmt das Ganze eine noch krassere Form an, die mir echt Sorgen macht."

    Ob das damit zusammenhängt, dass inzwischen jedermensch und seine Mutter eine Internet-Flatrate besitzen?

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  5. "Benny11 schrieb: vor 3 Stunden

    is mir schlecht... die erde dreht sich zu schnell......
    welche forscher beschäftigen sich mit so einen unfug??"

    Hihi. Genau das gleiche sagt einer der Mönche in Brechts Galilei, als dieser seine Theorie vom Hofastronomen überprüfen lässt und alle gespannt auf das Ergebnis warten.

    "Doch was soll der Kampf und was soll die Qual
    Sie sind ja sowieso in der Überzahl" - Tocotronic

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  6. Vielleicht ist die Metapher "Kampf" gar nicht die Richtige, um derartig irrational anmutenden Reaktionen auf die Ausprägungen und Erscheinungsformen der Wissenschaft zu begegnen.

    Wissen wir denn schon, welche nicht artikulierten Bedürfnisse hinter diesen offenbaren Dämlichkeiten stecken? Zwar gibt es schon milde Ansätze, dem zu begegnen (z.B. Harry G. Frankfurts Buch "ON BULLSHIT"), aber wäre es vielleicht besser für die Wissenschaft "als solche" diese Individuen auf irgendeine Weise wieder für Wissenschaftlichkeit zu begeistern?

    Um Wissenschaft als toll dastehen zu lassen ist es mMn essentiell, dass die Angesprochenen kein "höheres" (also grundlegenderes) Bedürfnis haben, dessen Nichterfüllung der produktiven Beschäftigung mit Wissenschaft im Wege steht.

    Zufriedene Menschen verzapfen keinen solchen Quatsch. Wie aber muss eine Strategie der Welt der Wissenschaft beschaffen sein, um unsachlicher Kritik freundlich, zuvorkommend und ergebnisoffen entgegenzukommen? Das sollte uns mMn beschäftigen, wenn wir mit dem (berechtigten!) Kopfschütteln fertig sind.

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  7. Ich unterschreibe jedes deiner Worte. Wenn man sich in diesen Kommentarforen verkämpft, verliert man den Glauben an die Menschheit. Aber zum Glück gibt es immer mehr unentwegte, die eine kleine Kerze anzünden, um die Dämonen des Aberglaubens ein wenig auf Abstand zu halten.

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  8. Ich frage mich gerade, ob die Wissenschaftsfeindlichkeit proportional zur wachsenden Wissenschaftskommunikation ansteigt? Je mehr sich die Wissenschaft aus dem so oft angeführten Elfenbeinturm wagt, umso angreifbarer wird sie auch, weil nun Allgemeingut wird, was vorher nur innerhalb der Mauern des Wissenschaftsbetriebes Thema war. Das aber würde bedeuten, dass die Wissenschaft ihre Kommunikationsstrategie ausbauen und verbessern muss, gerade bei so scheinbar welt- und alltagsfremden Themen, wie hier im Artikel angesprochen. Was genauso wichtig ist, ist in meinen Augen auch etwas mehr Gelassenheit gegenüber den oben zitierten Kommentaren. Mit Gegenaggressivität und Polemik erreicht man weniger und liefert denjenigen Leuten noch mehr Gründe, gegen die Wissenschaft zu wettern. Auch wenn's sehr schwer fällt: sie sind ernst zu nehmen und sachlich zu überzeugen. Wenn sie unbelehrbar sind, sollte man sie besser nicht beachten als ihnen durch verbale Angriffe noch Futter und Aufmerksamkeit zu geben. Wissenschaftler sollten sich in meinen Augen auf diejenigen konzentrieren, denen einfach verständliche Erklärungen fehlen, um sich eine eigene Meinung bilden zu können. Wer etwas nicht versteht, nimmt schnell eine Anti-Haltung ein. Deshalb: verständliche Wissenschaft. Und nichts dürfte einfacher sein, als genau das in den Geowissenschaften zu erreichen: immerhin sind sie alltäglicher als alltäglich...

    PS: Ein gutes Forum für Diskussionen um Wissenschaftskommunikation und Öffentlichkeitsarbeit findet auf der "GeoDarmstadt 2010" statt. Wer Interesse hat, ist gern eingeladen!

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  9. Sehr anschaulicher Artikel. Nun frag ich mich allerdings, warum man sich da über die Akzeptanz der Wissenschaft wundert. Schaut euch doch das Bildungssystem an, wir haben doch hier ein aktiv herbeigeführtes Ergebnis. Ob nun Bertelsmann oder ein großer Teil der Medien, es ist doch wichtig, der breiten Masse nicht zuviel Wissen zu geben, wer sollte sonst noch dieses Land verteidigen wollen oder Produkte kaufen, die weder benötigt werden, noch einen wirklichen Wert haben ? Das ist doch nicht im Sinne des Marktes äh, will sagen, wenn die Menschen jetzt Dinge hinterfragen, wie soll man denn da jetzt deren mögliches aufbegehren regeln können ? Womöglich würde jemand auf die Idee kommen, und Kreditinstitute oder andere wichtige Unternehmen als Diebe, gar Verbrecher bezeichnen. Und genau deswegen brauchen wir eine Flächendeckende Bildung, möglichst von der BILD DIR MEINE MEINUNG Zeitung ;-)

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