Sonntag, 31. Januar 2010

Wie eine unsinnige Einheit den Spritverbrauch erhöht

Ich sag's gleich: Für (Kontinental-)Europäer ist dieser Post möglicherweise uninteressant. Doch die Psychologie und Mathematik von Einheiten finde ich äußerst faszinierend, also lohnt es sich trotzdem, darüber Bescheid zu wissen.

Über die Amerikaner (und Briten) und ihre Maßeinheiten kann man sich immer gut lustig machen. Eine Meile sind 1.760 Yard, ein Yard 3 Fuß, ein Fuß 12 Zoll, ein Zoll 2,54 cm. Eine Gallone sind genau 231 Kubikzoll oder 128 Flüssigunzen oder 16 Tassen oder 3,78 Liter.
Wasser gefriert bei 32° F und kocht bei 212° F.

Teilweise finde ich die amerikanischen Einheiten ganz praktisch, da sich manche Sachen in Gedanken besser vorstellen lassen. Zudem erlernt man so schon als kleines Kind die Bruchrechnung. Für den Haushalt ist das natürlich in Ordnung, für die Wissenschaft eher nicht.

Eine Einheit geht jedoch gar nicht, sie verzerrt völlig die Wirklichkeit, belastet das Klima und kostet den Verbraucher Geld. Die Rede ist von MPG, miles per gallon, der gebräuchlichen amerikanischen und britischen Einheit für den Spritverbrauch. Der Umrechnungsfaktor zu L/100km ist 235, allerding mit 235 als Divident. Also 10 mpg=235/10=23,5 L/100km.
Oder 3,3 L/100km=235/3,3=71 mpg. Die beiden Einheiten stehen somit reziprok zueinander.

Um Verbrauch oder Ausgaben auszudrücken, wird überall auf der Welt das gleiche Einheitenprinzip benutzt: Menge pro Dimension. Eine Waschmaschine braucht 20 Liter Wasser pro Waschgang, in der Wüste sollte man 5 Liter pro Tag trinken, ein Mensch sollte mindestens 2000 Kalorien am Tag zu sich nehmen. Ein Manager verdient 200.000 Euro im Jahr, ein Lagerarbeiter 6 Euro pro Stunde. Teppich kostet 20 Euro pro laufendem Meter. Und so weiter.

Keiner käme auf die Idee, die Einheiten umzudrehen, im Kaufhaus wird man nie das Schild finden: "Teppich - nur 5 cm pro laufendem Euro!" (vor allem wäre dann das "nur" auf einmal falsch, aber auch "Teppich - riesige 5 cm pro Euro!" klingt bescheuert)

Doch genau das passiert bei MPG.

Hier wird es interessant: Das Prinzip Menge/Dimension ist so selbstverständlich in unser Unterbewusstsein integriert, dass das Gehirn die gleiche Größenabschätzung auch für "miles per gallon", also Dimension pro Menge benutzt. Das wäre im Beispiel der Teppichpreise relativ egal, aber MPG ist hyperbolisch und nicht linear. Das Ganze ist ziemlich abstrakt, also muss ein Rechenbeispiel her:



Auf den ersten Blick scheint der Wechsel von 25 auf 50 mpg sinnvoller, schließlich erhält man 25 Meilen extra, verglichen mit nur 10 Extrameilen im anderen Fall. Ich muss gestehen, dass ich da auch reingefallen bin. Übrigens: Wenn man die gleiche Rechnung auf dem Papier mit L/100km macht, ist der Effekt weg und der korrekte Wechsel erscheint auch auf den ersten Blick plausibler.


Was hat das jetzt zu bedeuten? Meiner Meinung nach recht viel. Der für uns Europäer exorbitante Verbrauch mancher US-Fahrzeuge hat hierzulande schon immer Kopfschütteln verursacht. Doch nach dieser Rechnung merkt man, dass der Verbrauch bzw. die Verbrauchsdifferenz für amerikanische Augen ganz anders aussieht. Durch diese dämliche Konvention scheint sich der Kauf eines spritsparenden Autos viel weniger zu lohnen.

Sinnvoll wäre es, die Einheit einfach vom Gesetz her ändern zu lassen. Allerdings würde sie immer noch in den Köpfen der Menschen verbleiben. Zumindest könnte man jedoch für mehr Aufklärung sorgen, dass die Leute sich den Verbrauch auch genau ausrechnen.

In einer früheren Version waren ein paar div-classes zerschossen, seltsamerweise aber nicht bei mir unter XP. Danke für die Hinweise.

1 Kommentar:

  1. Ich fand mpg auch immer schon ein seltsames Konzept, aber diese „Falle“ kannte ich bis jetzt auch nicht. Danke für den interessanten Hinweis!

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